Es ist für Menschen, die auf St. Pauli wohnen und deren Gäste nicht zu übersehen: Der Drogenkonsum und -verkauf ist seit dem vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Die daraus entstehenden, teils heftigen Zustände sorgen für Diskussionen im Viertel. Die auffälligsten Folgen des Drogenkonsums und -handels sind: Konsumenten_innen in Treppenhäusern und auf Dachböden (vor allem im Bereich Talstr./Seilerstr), Drogenverstecke und –handel in der Nähe von spielenden Kindern, verstärkte Razzien und Polizeipräsenz, Menschen mit dunkler Hautfarbe stehen unter Generalverdacht – Zustände, die in ihren verschiedenen Formen für Anwohner_innen, für Konsumenten_innen und für den gesamten Stadtteil St. Pauli belastend sind.
Diese Diskussionen nehmen wir in der AG auf – wir, das sind: Bewohner_innen, Vereine, Eltern und Fachleute aus der Drogenhilfe. An St. Pauli schätzen wir alle gerade die Tradition des Vielfältigen, Bunten und Toleranten. Uns ist klar, dass auf St. Pauli vor 100 Jahren gedealt wurde und auch in 100 Jahren noch gedealt werden wird – wie auch immer die verschiedenen Bewohner_innen dazu stehen. Wir sind uns deshalb einig, keine verstärkten Polizeieinsätze zu fordern.
Wir fordern: Eine Drogenpolitik, die Anwohnern_innen und Konsumenten_innen hilft: Ein zusätzlicher Konsumraum mit massiv verlängerten Öffnungszeiten und Spritzenautomaten.
Konsumräume wie das STAY ALIVE (Altona) bringen eine deutliche Entlastung der Bewohner_innen, zeigen alle Erfahrungen – auch unsere eigenen. Wie wichtig Drogenkonsumräume für das Überleben von Drogenkonsument_innen sind, zeigt jede Statistik. Deswegen muss es einen Drogenkonsumraum mit Angeboten der Überlebenshilfe (medizinische/pflegerische Versorgung, Duschen, Essen, Beratung und Hilfe) hier im Amüsierviertel geben, der wie der Stadtteil selbst annähernd rund um die Uhr und vor allem am Wochenende geöffnet hat. Die Vertreibung der Konsu-menten_innen im Kreis – von der Schanze nach St. Georg, von St. Georg nach St. Pauli und von St. Pauli zurück in die Schanze – ist sinnlos und menschenunwürdig und führt nicht zu einer nachhaltigen Entlastung der Anwohner_innen. Deshalb fordern wir neben der Aufstellung von Spritzenautomaten einen zusätzlichen Konsumraum zentral auf St. Pauli sowie die massive Auswei-tung der Öffnungszeiten. Hier ist die Politik dringend gefordert –aus einer Fürsorgepflicht gegen-über den Konsumenten_innen und den Anwohnern_innen.
Wir fordern: Einen situationsangemessenen Umgang mit dem Drogenverkauf in der Bernhard-Nocht- und der Hafenstraße
Eine unakzeptable Belastung für die jungen St. Paulianer_innen ist der Drogenverkauf in der Nähe der Schule zu Schulzeiten. Wir setzen uns, u.a. durch Gespräche mit den Dealern, dafür ein, dass die Schule und ihre unmittelbare Umgebung bis zur Hortschließung ein geschützter Raum für Kinder sein kann und die Bereiche der Kinder und die der Drogen möglichst getrennt gehalten werden. Ebenfalls ein Thema ist der Handel im Park Fiction: Park Fiction ist ein kommerzfreier Raum, das gilt auch für Drogenverkauf! Außerdem stellt das Anlegen von Drogenbunkern eine Gefahr für dort spielende Kinder dar.
Weiter ist uns wichtig: Keine Dämonisierung von Cannabis verkaufenden Straßendealern_innen, sondern sinnvolle Integration von Flüchtlingen.
Während selbst FDP und Grüne mittlerweile Cannabisabgabe in der einen oder anderen Form legalisieren wollen und die SPD darüber diskutiert, kann der Verkauf dieser Drogen nicht wie Schwerkriminalität geächtet werden. Sofern Flüchtlinge als Dealer ausgemacht werden, fordern wir soziale Unterstützung statt Ausgrenzung für diese Menschen, erwarten aber auch, dass geschützte Räume respektiert werden.
Wir fordern: Den Blick über den Drogen-Tellerrand: Alkohol ist Teil der Belastung, Events wie der drogen- und alkoholselige Schlagermove ebenfalls.
Wenn in letzter Zeit immer wieder der Drogenverkauf und –konsum thematisiert wird, möchten wir ein offensichtliches Problem nicht verschweigen: Der exzessive Alkoholkonsum, der am Wochenende auf St. Pauli stattfindet, ist nicht weniger belastend, nur weil er legal ist. Dass Alkoholverkäufer_innen, die für Massen von enthemmten, sich danebenbenehmenden Volltrunkenen mitverantwortlich sind, sich über Drogenverkäufer_innen beschweren, weil sie ihnen das Geschäft kaputt machen, ist schizophren.
Diese Belastung wächst noch durch die aus touristischen und finanziellen Gründen betriebene Vermarktung St. Paulis. Die hohe Dichte an Besuchern, die durch die gewollt steigenden Übernachtungszahlen erfolgt, fördert auch die Nachfrage nach Drogen über alle Schichten hinweg. So ist es selbstverständlich, dass die Stadt Hamburg einen kleinen Teil ihrer Gewinne zur Entlastung des Stadtteils einsetzt.
Hilfe und Fürsorge für Konsumenten ist Entlastung für die Anwohner_innen:
Für einen Drogenkonsumraum mit deutlich längeren Öffnungszeiten!!!
Wir arbeiten daran!!
Pressekontakt: Drogen@St-Pauli-Selber-machen.de
Hinweis: Am 10.6.2016 lädt die AG Drogen zu einer Kleinen Stadtteilversammlung ins Kölibri.