Am 22.1.19 gab es im City-Ausschuss Mitte eine öffentliche Anhörung zum Schlagermove. Dessen Betreiberin, die Hossa-Hossa Veranstaltungs-GmbH, präsentierte vier Alternativrouten, die anhand eines langen Kriterienkatalogs als nicht machbar verworfen wurden. Infos zu den einzelnen Alternativrouten findet ihr beim jeweiligen Bild (jeweils aus der Erinnerung nachgezeichnet).
Bemerkenswert war folgendes:
- Ein Kriterium Anwohner-Akzeptanz gibt es nicht. Stattdessen jede Menge verkehrs- und sicherheitstechnische Kriterien, darunter einige KO-Kriterien.
- Ein KO-Kriterium ist, dass es eine Rundstrecke sein muss, die an einem Gelände beginnt, dass wie das Heiligengeistfeld ca. 65.000 qm Platz bietet. Begründung: Es braucht einen Ort für den Auf- und Abbau der 46 Trucks. Der anwesende Polizeivertreter erklärte, dieser Auf- und Abbau könnte nicht einfach so auf Straßen erfolgen. Da fragen wir uns, wieso das bei Paraden wie CSD oder We’ll Come United geht. Ist an den Schlagermove-Trucks irgendetwas so ungewöhnlich, dass es eine eigene Fläche braucht?
- Ein weiteres KO-Kriterium ist die „Einschließung“ des Viertels durch die Rundstrecke. St. Pauli Süd gilt als nicht eingeschlossen, weil Feuerwehr und Rettungsdienste im Falle eines Falles über Seewartenstraße und Hamburger Hochstraße über den Schlagermove hinweg erreicht werden könnten. Von den vier Alternativrouten hat keine solche Zufahrtswege über Brücken.
- Weitere Kriterien, wenn auch nicht KO-Kriterien waren: besonders beschwerdefreudige Anwohner sowie Läden und Gastronomie, die vom Schlagermove nicht durch höheren Absatz profitieren würden. Diese Läden und Gastrobetriebe finden sich in ausreichender Menge nur zwischen Reeperbahn und Fischmarkt. Dazu wurden bei manchen Alternativrouten auch zu enge Straßen und Kurven genannt. Ein größeres Nadelöhr als den Pepermölenbek können wir uns allerdings kaum Vorstellen.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Kriterienkatalog für den Schlagermove über die Jahre so „gewachsen“ ist, dass er exakt nur auf eine Strecke in Hamburg passt: die seit Jahren genutzte um St. Pauli Süd herum.
St. Pauli selber machen schlug dann in der Fragestunde vor, dass der Bezirk doch einmal eine Studie in Auftrag geben möge, was die St. Paulianer*innen vom Schlagermove halten. Damit einmal Klarheit herrscht, wie viele (oder wenige) den Schlagermove eigentlich gut finden. Denn auch dieses Argument war wieder zu hören: Man kenne unter eigenen Freunden, die auf St. Pauli wohnen, einige, die sich jedes Jahr auf den Schlagermove freuen. Die würden wir auch gerne mal kennenlernen 😉
Die Linke-Fraktion hat sich bereit erklärt, einen Antrag für eine derartige Anwohner*innen-Befragung zu formulieren. Grüne und SPD würden eine solche Befragung unterstützen. Die CDU hat „ja, aber“ gesagt.
Grundsätzlich muss man aber sagen: Der Schlagermove lässt sich nicht getrennt von der Eventisierung von St. Pauli, sprich: den zu vielen Tourismus-Events, betrachten. Ob Schlagermusik blöd ist, ob es zu viele Leute in den Straßen sind, ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass die Eventisierung den St. Paulianer*innen aufgedrückt wird, ohne je nachgefragt zu haben, nur weil man davon ausging, dass ein Stadtteil, in dem die Bewohner*innen selbst gerne trinken, feiern und laut sind, jeden beliebigen Aufriss okay finden würden. Genau das ist nicht der Fall.
Deshalb: Schlagermove ganz anders gestalten und jedes Jahr in einem anderen Viertel der Stadt abfahren.
22 Jahre Schlagermove auf St. Pauli begründen noch keine Tradition!